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Nach fünfeinhalbstündiger Anfahrt, dem kurzen Bezug unserer reservierten Unterkünfte und einer Überlandfahrt durch die schöne hessische Landschaft treffen José und ich auf dem Vogelsberg ein. Uns bleibt angesichts der schieren Menge an Wohnmobilen, Zelten und PKW’s fast der Atem weg. Mit solchen Dimensionen haben wir nun wirklich nicht gerechnet. Angeblich sollen sich um die eintausend Teilnehmer eingefunden haben und die Atmosphäre und das Treiben erinnern an einen grossen Zeltplatz - lediglich das überall anzutreffende Ausstattungsmerkmal „Teleskop“ belehrt uns eines Besseren.
Beim Eingang werden wir von einem der Mitorganisatoren empfangen, mit ersten Informationen versorgt und gebeten, die – für uns Helveten beinahe lächerlich geringe – Anmeldegebühr von 8 Euro im Zelt nebenan zu entrichten. Der auf dem Vertrauensprinzip beruhende Verkauf der Getränke verleiht einer lockeren und freundlichen Stimmung Ausdruck. Es gilt das Motto: „Man nehme … und bezahle vor der Abreise“. Ein erster Rundgang bei hochsommerlichen Temperaturen um die 30 Grad lässt die Vorfreude auf die anstehende Beobachtungsnacht wachsen und wir finden eine schier unüberschaubare Vielfalt an hochkarätigem Gerät, grosse Feldstecher, viele schöne Eigenbauten und dieses oder jenes Urige vor. Schon fast schockiert der Grössenvergleich von José mit einem 40 zölligen Dobsonian.
Hungrig von der Anreise treffen wir im schönen Gasthof im nahegelegenen Stupertenrod auf eine fröhliche Gruppe Gleichgesinnter. Wir werden aufgefordert, uns dazuzusetzen und bei einem ersten Bier kommt der Informationsaustausch in Gang. José, selber Eigner eines Binokularansatzes wird von den anwesenden, eingefleischten „Binokulariern“ für einen anstehenden Okularkauf beraten und man verspricht sich zum Zwecke einer Demonstration einen Besuch auf dem Beobachtungsgelände. Beim Verlassen des Gasthofes fällt auf, dass dieser nun aus allen Nähten zu platzen droht. Für das sonst eher beschaulich-ländliche Stupertenrod ist dieser Andrang doch eher aussergewöhnlich.
In der jetzt anbrechenden Dämmerung richten derweil die Ersten ihre Teleskope auf den untergehenden Jupiter, andere schiessen noch schnell ein Bild der knapp über dem Horizont stehenden Sonne. Viel zu langsam – für meinen Geschmack – dunkelt es ein, doch letztlich werden Sterne sichtbar und ich kann die elektronischen Teilkreise meiner Montierung eichen; José richtet seine Montierung mit einer Refraktorkombination für die Astrofotografie her und einer Beobachtungsnacht ohne Stress scheint nun nichts mehr im Wege zu stehen.
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Plötzlicher, spontaner Applaus von überall her lässt uns aufhorchen – bis auch wir das über dem Nordwesthorizont gebotene Naturschauspiel bemerken: Intensiv rot leuchtende Lichtvorhänge spannen sich über das Firmament und tauchen die Umgebung in ein fahles Leuchten. Ich lasse beinahe ein Okular aus der Hand fallen und greife nach der Kamera. Mangels Fotostativ muss ich improvisieren, trotzdem übertreffen die auf dem Kleinmonitor erscheinenden Bilder alle meine Erwartungen. Das Nordlicht bleibt unerwartet lange sichtbar, wird zwischendurch schwächer, baut sich dann aber erneut – und vielleicht noch intensiver – auf.
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Irgendwann beschliesse ich, mich wieder den Sternen zuzuwenden, ein interessierter Platznachbar gesellt sich dazu und die Nacht vergeht beim Betrachten verschiedener schöner Himmelsobjekte. In der Morgendämmerung räumen José und ich unsere Ausrüstung ab und fahren – zur Übernachtung (?) – in unsere Unterkunft nach Gross-Felda.
Ein schöner Sommertag ist seit einigen Stunden angebrochen. Nach ausgiebigem Frühstück finden auch wir uns auf dem Beobachtungsgelände ein. Der heisse Tag vergeht mit Sonnenbeobachtung, Fachsimpeleien und einem zeitweiligen Besuch eines Vortrages über das Spiegelschleifen.
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Petrus scheint es heute nicht allzu gut mit uns zu meinen; trotz vielversprechender Wetterprognose baut sich Kumulusbewölkung auf, es wird drückend schwül und oft steht der Ausbruch eines Gewitters unmittelbar bevor. Viele Teilnehmer machen ihre Teleskope „wetterfest“ und gegen Abend kann auch der beste Optimist keine guten Beobachtungsbedingungen mehr herbeireden. Ein Gutes hat diese Wetterlage aber doch: Das Scheinwerferlicht des auf dem Gelände Eindrücke sammelnden Kamerateams des Hessischen Rundfunks kann keinem Sterngucker die Beobachtung vergällen.
Nach dem Besuch im Freiluft-Planetarium eines Sternfreundes beschliessen wir, früh zu Bett zu gehen und uns für die am kommenden Morgen stattfindende Sonnenfinsternis auszuruhen. Ich bin vom heissen Tag richtig hundemüde und daher nicht ganz unglücklich über die aufgezwungene Pause.
Der Schein von Blitzen hellt das dunkle Zimmer auf. Beim Erwachen um vier Uhr in der Früh höre ich erstes Donnergrollen. Dies soll Wetter für die Beobachtung einer Sonnenfinsternis sein? Einige Minuten später beginnt es, wie aus Kübeln zu regnen und starker Wind pfeift um die Hausecken. Wohl nichts mit SoFi. Ich ergebe mich dem traurigen Schicksal, verzichte darauf, José zu wecken und nach einem letzten Blick vom Zimmerbalkon himmelwärts versinke ich wieder in den Federn. Mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen gilt den bedauernswerten Zeltenden; es kann so schön sein, sich im trockenen warmen Bett zu räkeln.
Nach dem gewohnt üppigen Frühstück fahren wir um etwa 11:30 Uhr auf den Vogelsberg. Einige Teilnehmer sind bereits am Einpacken.
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Lediglich eine einzige Teilnehmerin will die Sonnenfinsternis gesehen haben; sie zeigt ihre Aufnahmen den Umherstehenden und das Kamerateam des HR wird auf sie aufmerksam.
Das miese Wetter kann die gute Stimmung bei der heute anstehenden Prämierung der besten Eigenbauteleskope in keiner Weise trüben. Mit viel Humor werden die Gewinner und deren Werke vorgestellt. Ausgezeichnet werden ein 10“ Binokular, ein Miniteleskop aus einem Kugelschieber, Leichtbauten aus Kohlefaser, eine ausgetüftelte Vorrichtung für den Spiegel-Grobschliff, ein „Einbaum“ genanntes Experimentalfernrohr sowie der am Anfang des Berichts erwähnte 40“ Dobsonian.
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Wir beschliessen, nach dem Besuch des Flohmarktes die Heimreise anzutreffen. Ohne Souvenir – es hat sich leider nichts Passendes finden lassen – machen wir uns auf die Heimfahrt. Begleitet von heftigen Blitzen, Donnergrollen und zweiteiligen Regengüssen fahren wir südwärts, hoffend, daheim noch gutes Wetter für einen abschliessenden „Sternguck“ vorzufinden.
Hasle-Rüegsau im Juni 2003
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Letzte Aktualisierung am 03.06.2003 |