Die Urania-Sternwarte in Burgdorf feierte im Jahre 1995 ihren 75. Geburtstag. Am 27. August 1920 wurde die erste Urania-Sternwarte auf dem Gsteig eingeweiht.
Ursprünglich stand die Sternwarte dort, wo heute das Chemiegebäude der Ingenieurschule steht.
Es war ein Kuppelbau, ausgerüstet mit einem Linsenfernrohr der Firma Zeiss,
sowie einer Anlage zum Empfang des Zeitzeichens aus Paris, zwecks genauer
Einstellung der Sternzeituhr. Dieses Observatorium wurde nicht etwa von der
Stadt Burgdorf gebaut und finanziert, sondern ein allseits geachteter Burgdorfer
Fabrikant namens Conrad Kindlimann hat sie
unter der Bezeichnung "Urania, Stiftung Kindlimann, Sternwarte des Gymnasiums
Burgdorf" bauen und ausrüsten lassen und samt einem beachtlichen Betriebskapital
dem Gymnasium geschenkt.
Die Erweiterungsbauten der Ingenieurschule Burgdorf machten im Jahre 1969 die Verlegung der Sternwarte aufs Dach des Gymnasiums unumgänglich.
Die zweite Urania-Sternwarte ist mit einem Schiebedach (anstelle der Kuppel)
ausgerüstet und ermöglicht dem Besucher eine 360 Grad Rundsicht. Dazugekauft
wurde ein leistungsfähiges Doppelspiegelteleskop.
Der Empfang der Atomzeit aus Braunschweig erlaubt in Kombination mit einem
Computerprogramm die Berechnung der Stern- und Planetenpositionen. Der
Sternwarte ist ein kleines Planetarium angeschlossen, welches acht Besuchern
Platz bietet. Die zweite Sternwarte ist, wie schon zuvor die erste, als
Volksternwarte konzipiert, mit regelmässigen öffentlichen Demonstrationen (siehe
Homepage ). Die Sternwarte Burgdorf
wird vor allem von Schulklassen aus Burgdorf und Umgebung rege besucht.
Conrad Kindlimann wurde 1849 im thurgauischen Dorf Kümmertshausen geboren,
wo seine Eltern ein kleines Bauerngut bewirtschafteten. Dort wuchs er zusammen
mit seinen beiden Schwestern auf. Der frühe Tod seines Vaters zwang ihn aus
finanziellen Gründen die Kantonsschule in Frauenfeld vorzeitig zu verlassen.
Seine Lehrjahre verbrachte er danach in Vevey, wo er sich zum tüchtigen Kaufmann
entwickelte. Dort lernte er auch seine Frau, Cäcilia Schilt aus La
Chaux-de-Fonds, kennen.
Mit 30 Jahren war er in Hasle kaufmännischer Leiter in der von ihm und Fritz Geiser gegründeten Fabrik, die sich auf die Herstellung von Leinwand und imprägnierten Stoffen (Storen, Zeltblachen) spezialisierte. Die beiden charakterlich so verschiedenen Geschäftspartner ergänzten sich aufs Beste, so dass das Werk innert eines Jahrzehnts zu einem bedeutenden Unternehmen heranwuchs.
Als sein einziges Töchterchen schulpflichtig wurde, verlegte Kindlimann
seinen Wohnsitz nach Burgdorf, wo er 1898 sein eigenes Haus "Jurablick" auf dem
Gsteig bezog, in dem er bis zu seinem Tode wohnte. Kindlimann war aber nicht nur
ein erfolgreicher Unternehmer, sondern auch ein tatkräftiger Politiker: Von 1895
bis 1918 war Kindlimann Grossrat des Kantons Bern und hat dort mit seiner
reichen Erfahrung sofort entscheidenden Einfluss genommen. Seine Voten waren
stets kurz und sachlich einwandfrei begründet. Als Kommissionspräsident hat
Kindlimann in den Jahren 1901 bis 1904 das Bernische Lehrlingsgesetz
"durchgekämpft" und damit auf dem Gebiet der Berufsbildung in unserem Kanton
Wichtiges geleistet.
Ganz besonders engagierte sich Kindlimann für die Entwicklung der Eisenbahn in
der Region.
Im Jahre 1886 wurde Kindlimannn in den Verwaltungsrat der Burgdorf-Thun-Bahn
und 1898 in den Verwaltungsrat der Emmentalbahn gewählt. 30 Jahre hat er in der
Leitung dieser beiden Unternehmen (heute Teile der RM) rege mitbestimmt. Kindlimann war
auch Präsident der Finanzkommission der Lötschbergbahn, wo er, als feuriger
Verfechter von Alpentunneln, schon vor dem 1.Weltkrieg den Lötschberg auf
Doppelspur ausbauen wollte. Mit besonderem Einsatz hat er sich um die
Wohlfahrtseinrichtungen beim Bahnpersonal bemüht und eine Pensionskasse
eingeführt (eine um diese Zeit revolutionäre Einrichtung).
Obwohl er nicht Versicherungsmathematiker war, hat er jeweils über die
Entwicklung dieser Kasse umfangreiche Berechnungen angestellt und stets sichere
Prognosen gemacht, so dass sein Urteil in diesen Fragen sehr geschätzt war.
Der Stadt Burgdorf fühlte sich Kindlimann in besonderem Masse verpflichtet. Er war von 1881 bis 1903, also ganze 22 Jahre, Gemeinderat der Stadt Burgdorf und war unter anderem Präsident der Finanzkommision und der Technischen Kommission.
Kindlimanns Liebe zur Astronomie ist schon in seiner Jugendzeit gewachsen. Als Neunjähriger hatte er das Glück, den Donatischen Kometen von 1858 zu beobachten, welcher auf ihn einen so nachhaltigen Eindruck machte, dass er sich zeitlebens mit Astronomie befasste.
Als Siebzigjähriger fasste er den Entschluss, eine Sternwarte auf dem Gsteig
zu bauen. Professor Mauderli vom Astronomischen Institut der Universität Bern
ünterstütze ihn bei seinen Plänen nach Kräften. Bereits am 27.August 1920 konnte
die Urania-Sternwarte eingeweiht werden, und Kindlimann übergab dieselbe als
Geschenk dem Gymnasium, samt einem beachtlichen Betriebskapital von 20'000
Franken, ein Geschenk, das grosszügiger nicht hätte sein können. Für Kindlimann
war es der schönste Tag seines Lebens, wie er des öfteren seinen Freunden
gestand.
In den letzten Lebensjahren (seit 20 Jahren war er verwitwet, seine einzige Tochter lebt mit ihrer Familie in La Chaux-de-Fonds) galt sein Interesse den Sonnenflecken, die er an jedem sonnigen Tag beobachtete. Mit 76 Jahren publizierte er eine Abhandlung, in der er an einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Sonnenflecken und Schlaganfällen in der Schweiz glaubte. Am 6. März 1929 starb Conrad Kindlimann an einer Lungenentzündung. Zu Recht sagte Stadtpräsident Joss anlässlich der Trauerfeier: Die Burgdorfer Schulen verlieren mit Conrad Kindlimann einen ihrer besten Freunde.
P.Fenner
Letzte Aktualisierung am 08.12.2002